Einladung zur Online-Tagung
Die Rebellion von Florus und Sacrovir gegen Rom
am 10.–11. Dezember 2021
organisiert und moderiert von
Dr. Holger A. Müller (Universität Stuttgart, holger.mueller(at)hi.uni-stuttgart.de)
und Prof. Dr. Jürgen Zeidler (Universität Trier, celtic(at)uni-trier.de)
unterstützt vom
Arbeitskreis Historische Keltologie e.V.
2021 jährt sich zum 2000. Mal der Aufstand des Treverers Iulius Florus und des Häduers Iulius Sacrovir 21 n. Chr. gegen das Römische Reich. Wir nehmen dieses Datum zum Anlass, über die damaligen Ereignisse, ihre Hintergründe und den größeren kulturhistorischen Kontext neu nachzudenken und zu diskutieren.
Nachdem die Rebellion lange als eine quasi „nationale‟ Erhebung Galliens zur Befreiung von der römischen Herrschaft gegolten hat (Mommsen, Jullian, Thévenot u.a.), sind seit einer Analyse von Albert Grenier (1936) wirtschaftliche und finanzielle Ursachen bei der Interpretation in den Vordergrund gerückt. Nach der heute allgemein akzeptierten Ansicht wollten die Rädelsführer, selbst römische Bürger, keineswegs ihre Freiheit von Rom erstreiten, sondern gegen staatliche Überbelastung und Willkür protestieren. Bei dem Konflikt sei es eher um die „politische und ökonomische Machtverteilung innerhalb der civitas gegangen‟ und nicht zuletzt um „persönliche‟ Motive (Urban 1999:43f). Die Ereignisse werden gar als „bedauerlicher Betriebsunfall‟ (Herz 1992: 93) abgetan.
Da die Revolte nur bei Tacitus ausführlich geschildert wird, hat man immer wieder versucht, dessen Glaubwürdigkeit zu hinterfragen und dabei insbesondere die Topik und Rhetorik wie auch die Intention des Autors in Rechnung zu stellen (zuletzt z.B. Poulsen 2018; van Broeck 2017; Grant Couper 2016; Woolf 2011; Hausmann 2009; Gerlinger 2008). Ein anderer Ansatz besteht darin, weitere Quellen für die Beurteilung der Ereignisse zu erschließen. Gerade in den letzten Jahren hat es hierzu einige weiterführende Vorschläge gegeben. So hat Jared Kreiner (2021) die Abgabenlast des gallischen Hinterlandes im Gefolge der Germanenfeldzüge neu bewertet, mit dem Ergebnis, dass gallische Stammesführer “probably weighed their options and determined it was not worth the risk, or some were simply waiting to see if those rebels would be successful before possibly joining” (MS p. 33). Dies würde der latenten Gefahr der Rebellion ein viel größeres Gewicht verleihen. In eine ähnliche Richtung zielt auch die These von Emmanuel Arbabe (2017; 2015), die im Zeitzeugen Velleius Paterculus eine Stütze findet, Sacrovir habe als princeps Galliarum im Rahmen des Provinziallandtags in Lyon eine wichtigere Rolle eingenommen, als man ihm üblicherweise zuerkennt. Gründe genug also, um die Thematik erneut in den Blick zu nehmen.
Wir möchten die Diskussion um die Rebellion des Jahres 21 n. Chr. mit drei Fragestellungen aufgreifen. Erstens soll es uns um eine Rekonstruktion der historischen Ereignisse und in diesem Zusammenhang um die Probleme der Quellenkritik, der Topik und Rhetorik, der Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Quellen, insbesondere unseres „Kronzeugen‟ Tacitus, gehen.
Zweitens wollen wir die Debatte um den Triumphbogen von Orange miteinbeziehen, der traditionell in die Zeit des Tiberius datiert wurde, heute aber in die Ära des Augustus gestellt wird und unter der Regierung seines Nachfolgers nur restauriert oder umgewidmet worden sein soll (Stilp 2017; Fellague 2016). Auf einem der gallischen Schilde der Waffenreliefs ist der Namen Sacrovir(us) zu lesen. Es stellt sich nach wie vor die Frage, ob es sich dabei um eine Erwähnung des Rebellen von 21 n. Chr. handeln könnte, auch wenn z.B. die PIR² VII 268 vermerkt: “certe non ad eum pertinet t[itulus] clupei alicuius arcus Arausione errecti [CIL] XII 1231 (Sacrovir)”. Weitere epigraphische, onomastische und archäologische Zeugnisse geben zusätzlichen Aufschluss (z.B. Hartmann 2017).
Und drittens sollen erneut die Gründe für den Aufstand hinterfragt und das Geschehen in einen größeren kulturhistorischen Kontext eingeordnet werden. Waren die bei Tacitus genannten finanziellen Gründe ausschlaggebend? Oder handelte es sich doch um den Putschversuch zweier ambitionierter Anführer? In welchem Verhältnis stand die Rebellion zu der schnell fortschreitenden Romanisierung? Handelte es sich um einen grundsätzlichen Widerstand dagegen oder nur um eine Auseinandersetzung über die Art und Weise? Dies könnte auch eine Erörterung anstoßen, inwieweit die unzweifelhaft nachweisbare „Roman Object Revolution‟ (Pitts 2019) auch die geistige Kultur geprägt hat oder ob wir möglicherweise mit einer stärkeren Resilienz vorrömischer Traditionen rechnen müssen.
Wenn Sie interessiert sind, sich mit einem Vortrag von 20 Minuten an unserer Tagung zu beteiligen, an den sich eine Diskussion anschließen soll, möchten wir Sie bitten, uns bis zum 31. August 2021 einen Abstract von 100–200 Wörtern auf Deutsch, Englisch oder Französisch per Mail an sacrovir(at)histkelt.de zuzuschicken. Die Tagung wird unabhängig von der Entwicklung in der Pandemie in jedem Fall online stattfinden.